Weihnachtsgeschichten

Ein Igel im Weihnachtsglück!


                          

"Igittigittigitt, welch ein scheußliches Wetter", schimpfte Graf Ignatz von Rasenschnitt. "Man sieht ja die Schnauze vor Augen nicht in dieser Brühe." Vorsichtig setzte er eine Pfote auf das vom Nebel getränkte Gras und stellte angewidert seine Stacheln auf. Wie gemütlich es hingegen unter seinem Blätterhaufen war, wie mollig warm und wohltuend! Wie gerne wäre er jetzt dorthin zurück gekrochen, hätte sich zusammengerollt, um dann seiner Natur entsprechend in die wohlverdiente Winterruhe zu gehen. "Oh, ja," seufzte Ignatz, "wie herrlich das jetzt wäre!"
Aber nein, ein von Rasenschnitt bleibt ein von Rasenschnitt! Und wie bereits in den vergangenen Jahren hatte er sich fest vorgenommen, wach zu bleiben, und es entlich auch zu schaffen und seinem Namen alle Ehre zu machen. Wach zu bleiben zumindest bis zu diesem einen sagenumwobenen Tag, der zur Zeit in aller Munde war, sodass Ignatz ihn, "oh bitte, wenigstens eine einziges Mal", miterleben musste. Ob Maulwurf Theodor Tunnelbau, ob die eigenwillige Eichhörnchendame Frau von und zu Kralldichfest, oder ob Ignatz' bester Freund, die freche Hausmaus Fredolo Fettpelz: Alle, die keinen Winterschlaf hielten, hatten Ignatz mit glänzenden Augen von dem einen Tag erzählt, der sich "der heilige Abend", der Beginn von "Weihnachten" nennt, und der bald in aller Herrlichkeit erstrahlen sollte.
Die Menschen seien bereits in Vorbereitung, hieß es, und ja, die Gärten und Höfe hatten sich wahrhaftig verändert. Nachts brannten mehr und mehr Lichter, von denen manche fröhlich auf Tannenbäumen auf und ab tanzten, andere wild in gläsernen Kästen zuckten. Kroch man dicht genug heran, so konnte man sich gar an ihnen wärmen. Das gefiel Ignatz natürlich sehr, half ihm, seine Körpertemperatur konstant zu halten und der immerwährenden Müdigkeit nicht zu nachzugeben.
Was ihm weniger half, waren all die herrlichen Gerüche in diesen Tagen, diese unbekannten, würzigen, ach so köstlichen Düfte, die aus den Häusern der Menschen in sein hochsensibles Schnäuzchen drangen. Allein bei dem Gedanken daran, begann Ignatz' Magen nun heftigst zu knurren. Er wusste, es war dringlichst Zeit, sich auf den Weg zu machen zu seinem Freund, der Maus.
Fredolo Fettpelz hatte sein Zuhause gleich neben der Katzenklappe in einem kleinen Loch der angrenzenden Wand. Ein jeder mag wohl denken, dass dieser Platz ein recht gefährlicher für die Maus sei. Fredolo jedoch war derart schlau, dass er ihn sich genau deswegen ausgesucht hatte, denn dort würde man ihn schließlich am wenigsten vermuten und auch keine Mausefallen aufstellen. Ja, ein kleiner, pfiffiger Kerl war diese Maus. Ignatz und Fredolo hegten nicht nur große Zuneigung füreinander, sondern halfen sich auch gegenseitig. Vor allem half Fredolo Graf Ignatz dabei, täglich dessen Hunger zu stillen. Sobald am Abend nämlich die Futterschale des gefürchteten Hauskaters, schlicht Killerkarl genannt - er litt seit Jahren unter einer ausgeprägten, längst nicht mehr therapierbaren Mordlust - frisch aufgefüllt worden war, stand Mäuserich Fettpelz Wache und hielt Ausschau nach dem grau getigerten Monster. Dies war der Moment, in dem es für Graf Ignatz galt, schnell durch die Katzenklappe zu schlüpfen und sich am Napf Killerkarls zu bedienen. Dabei vertraute Ignatz seinem Freund voll und ganz. Erst gestern, als die Katzenbestie plötzlich viel zu schnell um die Hausecke bog, schoss Fredolo im Nu dem Killer entgegen, baute sich provozierend mit den Worten "Fang mich doch!" vor ihm auf und schoss dann in entgegengesetzter Richtung davon. Ein gelungenes Ablenkungsmanöver mit dem Ergebnis, dass Killerkarl im Misthaufen landete, wo er obendrein von Frau von und zu Kralldichfest mit Bucheckern beworfen wurde, damit er ihre dort versteckten Walnüsse nicht fand. Killerkarls krankhafte Mordlust war nach dieser beschämenden Niederlage in eine tiefe Depression umgeschlagen, denn schon den ganzen Tag über hatte sich der Kater nicht ein einziges Mal blicken lassen. Und auch jetzt, als Ignatz sich erneut an dessen Napf bediente, war er nirgends zu sehen.
"Sag mal Fredolo, wann wird es denn endlich soweit sein, was meinst Du?" fragte Ignatz, als er später satt und zufrieden mit seinem Freund in Ignatz' Laubhaufen hockte. "Ich werde jetzt müder und müder und ich weiß nicht, wie lange ich mich noch auf den Beinen halten kann. Sind es noch viele Tage bis Heiligabend? Und werde ich es auch erkennen, wenn es soweit ist?"
"Hmmh," überlegte der Mäuserich, lange kann es nun wirklich nicht mehr dauern. Und ja, du wirst es erkennen, denn es ist unübersehbar. Alles wird ruhig und friedlich an diesem Tag. Die Menschen ziehen sich am frühen Abend in ihre Häuser zurück. Eine Helle und Pracht überstrahlt das ganze Land, so etwas hast du noch nie gesehen. Noch ein wenig Geduld und Durchhaltevermögen, dann ist es soweit."
Damit verabschiedete sich Fredolo bis zum nächsten Abend und schlüpfte wieder in sein kleines Loch in der Wand. Graf Ignatz blieb alleine zurück, kuschelte sich tiefer in Laub hinein und begab sich, gestärkt durch Fredolos Worte, mit geübter Selbstbeherrschung in den gewohnten, nur leichten Dämmerschlaf.
Just in dieser Nacht fiel die Temperatur auf unter 0 Grad Celsius, und ein grau bedeckter Himmel entließ in den frühen Morgenstunden Millionen von zarten, flauschigen Flocken den Erde. Die Welt erwachte in neuem Kleid, und ebenso Ignatz, wenn auch erst spät am Mittag. Er reckte und streckte seine steifen Glieder im Blätterhaufen und lauschte nach draußen. "Warum nur war es so still draußen?" fragte er sich. "Kein Auto-, kein Traktorgeräusch, kein Lärm von der Straße!" Den Kopf geneigt, ein Ohr am Boden, stellte er verwundert fest, dass gar von dort all das übliche Trappeln der anderen Tiere wenn überhaupt, viel weniger und nur noch gedämpft zu vernehmen war. "Nanu, was war geschehen?" Vorsichtig blinzelte er durch die vordersten Blätter. "Und wie ungewöhnlich hell es draußen war. Die Sonne muss heute wirklich außergewöhnlich stark scheinen", vermutete Ignatz. Neugierig trat er heraus aus seinem Lager, zuckte jedoch prompt zurück, als der einkalte und knirschende Schnee seine Pfoten kitzelte. "Brrr, ist das kalt, und wie das blendet in den Augen! Was ist das nur?" Ignatz nahm seinen Mut zusammen und wagte erneut den Schritt heraus. Seine Augen gewöhnten sich an die Helligkeit, und er konnte jetzt deutlich Hof und Garten in weißer Pracht vor sich sehen.
"Ja, heiliger Schneckenschleim", entfuhr es ihm da, "nun schau sich das einer an! Wie wunderschön und hell alles aussieht, wie zauberhaft!" Seinem feuchten Schnäuzchen entstieg ein langgezogenes, genüssliches Grunzen, seinem Mäulchen ein Raunen, und er erstarrte zunehmend in Ehrfurcht.
"Sollte ich es tatsächlich geschafft haben?" Ignatz stutzte. "Aber ja, es ist soweit, natürlich!" Die Ruhe, der Frieden - hatte es Fred Fettpelz nicht genau so erst gestern Nacht beschrieben. Und war es nicht in der Tat prachtvoll, dieses Strahlen, dieses Glitzern und Funkeln wie das von Millionen von Sternen. Und diese Helle, das viele Licht - Symbol der Hoffnung, von dem alle gesprochen hatten! "Oh, wie wunderschön das ist", seufzte Ignatz, "und ich, ja ich, Graf Ignatz von Rasenschnitt habe es gesehen: Weihnachten! Ja, das muss es sein!"
So stand Ignatz also, blickte umher und staunte. Und er stand noch eine ganze Weile, bis all der Druck der vergangenen Tage, der Kampf, die Mühsal, all das nun mit einem Ruck seinem Körper und seinem Herzen entwich, und ihn eine solch tiefe und selige Entspannung überkam, dass die bleierne Müdigkeit, die ihn so sehr gequält hatte, schließlich ihren Sieg errrang. Ignatz ergab sich ihr in gutem Gewissen und Seelenfrieden, glücklich, dass er sein Zeil erreicht hatte, zumindest für einen Augenblick lang das Wunder Weihnachten mitzuerleben.
Es war der 21. Dezember, als er in einen tiefen Winterschlaf fiel, nur wenige Tage vor Heiligabend. Und er bemerkte nicht, wie eine sanfte Hand ihn hob, ihn barg und an einem warmen, sicheren Ort trug.

                        

Weihnachtsgeschichte
von Anja Helm,
die von einer Rostfigur Igel zum Schreiben dieser Geschichte inspiriert wurde.


                


Tannenbäumchens  Weihnachtswunsch

                                     
                              

 Am Rande eines Mischwaldes führte ein Wanderweg an einer eingezäunten Baumschule mit Tannenbäumen vorbei. Alle Bäume standen dort in Reihe und Glied, gerade und schön gewachsen. Ein paar Wochen vor Weihnachten wurde es, wie jedes Jahr um diese Zeit, laut und hektisch in der Baumschule. Männer liefen durch die Baumreihen, begutachteten die Tannen, sägten eine nach der anderen ab und verluden sie zum Abtransport auf einen Anhänger hinter einem Traktor.

Neugierig beobachtete das Tannenbäumchen, welches außerhalb des Zaunes wild gewachsen war, das emsige Treiben. Ihr Stamm kräftig und dicht. Weiter oben hatte es einige Lücken und viel dünnere Ästchen. Voller Bewunderung über die gerade gewachsenen Schwestern in der Baumschule hätte sie sich gerne mit ihnen unterhalten, doch die wimmelten sie mit den Worten ab: "Du bist hässlich, du gehörst nicht zu uns!" So blieb ihr nichts andere übrig als schweigend zuzusehen, wie eine Schwester nach der anderen verschwand.

Nicht weit von ihr entfernt wurden gerade die letzten Tannen auf einen Anhänger geladen. Ein fröhliches Flüstern und Raunen drang bis zu ihr herüber. Sie konnte aber nicht verstehen, was die Tannen so glücklich machte. Sie fasste sich noch einmal ein Herz und rief ihnen zu: "Warum seid ihr so fröhlich? Wohin geht eure Reise?"

Wir sind die Auserwählten und reisen ins Christbaumparadies", antworteten sie ein wenig hochnäsig. Lautes Motorengeräusch ertönte, dann fuhr der beladene Anhänger langsam an ihr vorbei. Spöttisch riefen ihr noch einige zu: "Du bist krumm und hässlich, du wirst nie ein Christbaum sein."

Traurig über diese Bemerkung blickte die kleine, krumme Tanne den davonfahrenden Schwestern hinterher. Sie hatte doch noch so viele Fragen. Wo ist das Paradies, was geschieht dort mit den Schwestern und was ist ein Christbaum!

Diese Fragen beschäftigten sie so sehr, dass sie das Ende des Tages nicht bemerkte. Erst ein Geraschel unter ihren tief am Boden hängenden Zweigen machte sie darauf aufmerksam. Bei Einbruch der Dämmerung kam, wie schon oft, ein kleiner Hase der Schutz unter ihren Zweigen suchte. "Du, Hase, weißt du wo das Christbaumparadies ist und was mit meinen Schwestern dort geschieht?" "Das soll bei den Menschen sein, mehr weiß ich auch nicht. Frag doch mal die Vögel, die halten sich in der Nähe der Menschen auf."

Es dauerte gar nicht lange, da kam eine Amsel angeflogen und setzte sich auf einen ihrer Äste. "Du, Amsel, warst du schon mal im Christbaumparadies bei den Menschen?" Na, klar, ich komme ja gerade von dort. Es ist ein großer Platz in der Stadt. Die Menschen sagen Marktplatz dazu. Immer zur Weihnachtszeit wird dort eine riesengroße Tanne mit vielen Lichtern aufgestellt.

                              

Drumherum stehen kleine Häuschen, vollgepackt mit duftenden Leckereien. Neben jedem Häuschen steht ein kleiner Tannenbaum, geschmückt mit bunten Päckchen. Das sind die Weihnachtsbäume." "Und wie wird man ein Christbaum?", wollte die Tanne jetzt wissen. "An einem anderen Platz stehen die ungeschmückten Tannen. Dort müssen sie warten, bis die Menschen kommen und sich eine von ihnen aussuchen. Die nehmen sie dann mit nach Hause. Am Heiligen Abend wird sie mit glitzernden Sachen von oben bis unten geschmückt. Auf den Spitzen der Zweige werden leuchtende Lichter bis hoch zur Baumspitze angebracht. So werden deine Schwestern zum Christbaum.
Morgen ist dieser Heilige Abend. Die Menschen feiern an diesem Tag die Geburt des Christkindes. Alle Christbäume erstrahlen an diesem Abend im Lichterglanz und erfreuen die Menschen."

Die unscheinbare Tanne seufzte ein wenig traurig vor sich hin. Nun verstand sie, warum aus ihr nie ein schöner Christbaum werden konnte.
In der Nacht fing es heftig an zu schneien und bedeckte zum Trost all ihre kleinen Schönheitsfehler mit der weißen Winterpracht.

Am nächsten Tag musste sie immerzu daran denken wie glücklich ihre Schwestern sein werden, wenn sie in voller Pracht erleuchteten. Tief in ihren Gedanken versunken bemerkte sie nicht, dass ein Mann und eine Frau auf dem Wanderweg näher kamen. Beide zogen einen Schlitten, auf dem ein Mädchen und ein Junge saßen, die eine große Tasche in ihren Armen hielten. Erst die lauten Worte des Mädchens: "Da ist eine schöne Tanne!", ließ sie aufhorchen. War sie etwa gemeint? Das Bäumchen sah sich um, doch weit und breit konnte sie keine andere Tanne erblicken. Neugierig geworden beobachtete sie nun das Näherkommen der Menschen. Und dann geschah etwas Wundervolles. Die Kinder holten aus den Taschen Meisenringe, dicke Meisenknödel, rote, glänzende Äpfel, saftige Karotten und in buntem Papier eingewickelte Nüsse. Nun begannen die Menschen all diese Köstlichkeiten an ihre Zweige zu hängen. Als alles rund um das Tannenbäumchen verteilt war, holte der Mann noch ein kleines Päckchen mit Wunderkerzen aus der Manteltasche. Die wurden an die äußersten Zweigspitzen gehängt und dann angezündet. Tausende helle Sternchen sprühten und glitzerten und erschreckten die Tanne fürchterlich. Doch schnell bemerkte sie, dass die sprühenden, glitzernden Sterne keine Gefahr für sie waren. Die Kinder klatschten vor Freude in die Hände und tanzten einmal um das Bäumchen herum. Mit strahlenden Augen betrachteten sie dann den geschmückten Tannenbaum und betonten immer wieder: "Das ist der schönste Christbaum von der ganzen Welt. Jetzt können auch die Tiere im Wald den Heiligen Abend feiern.

Das Tannenbäumchen wurde vor Glück ganz still. Der scheinbar unerfüllbare Wunsch, ein Christbaum zu sein, hatte sich doch noch erfüllt.

               

Eine Weihnachtsgeschichte von Gisela Prouza
- Wochenblattleserin der Stadt Buchholz/Nordheide - verfasst.



     Weihnachten war gestern

 


                                          

Im August war Katharina sechs Jahre alt geworden. Sie lebte mit Ihren Eltern in einer bescheidenen, einfachen Wohnung in einem kleinen, alten Strohdachhaus.
Die Wohnung bestand aus Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer. Marie hatte kein eigenes Zimmer. Sie schlief im Ehebett der Eltern auf der "Besucherritze".

Eine zweite, gleich große Wohnung im Haus bewohnten Katharinas Großeltern zusammen mit einer Tante und deren Mann. Es gab keine Badezimmer. Es gab keine Toiletten im Haus. Es gab keine Heizung. Einen dunklen Flur teilten sich beide Parteien, denn es gab nur eine Hauseingangstür mit winzig kleinen Fenstern zur Straßenseite. In diesem Flur stand der Kleiderschrank ihrer Eltern, denn im kleinen Schlafzimmer war dafür kein Platz.

Im kleinen Dorf gab es zu der Zeit keinen Kindergarten und auch sonst keine Möglichkeiten für Kinder im Vorschulalter, sich zu treffen. Wenn ihre Mutter im Garten arbeitete oder bei Nachbarn oder Verwandten bei der Feldarbeit half, blieb Katharina gern bei ihren Großeltern. Die beiden versorgten und verwöhnten Katharina zu gerne, denn sie war die jüngste Engelin. Besonders ihr Großvater, Opa August, spielte gerne, oft und lange mit ihr. Ihre Oma Marie war nicht immer davon begeistert, wenn Opa und Katharina die kleine Wohnküche in ein Spielzimmer verwandelt hatten.

An einem Tag Ende November, als Katharina wieder einmal mit ihrem Opa so toll und lange gespielt hatte, dass beide dabei die Zeit vergessen hatten, schimpfte Oma Marie mit beiden. Opa August wollte beschwichtigen, aber der energische Tonfall und die bestimmenden Worte an Katharina und ihren Opa waren nicht zu überhören. Katharina war erschrocken. Sie nahm ihre Spielsachen, mit der sie und ihr Opa gespielt hatten, huschte durch den dunklen Flur um den Kleiderschrank herum in ihre Wohnung. Ihr Vater und ihre Mutter waren noch nicht zuhause. Vater Willi arbeitete als Schichtarbeiter in der nahegelegenen Zementfabrik und Katharinas Mutter putzte ein paar Mal in der Woche im Gemischtwarenladen in der Nachbarschaft.

Katharina war allein zuhause. Sie blieb in der kleinen Küche, die durch den Herd geheizt war. Katharina langweilte sich. Sie saß auf einem Hocker vor dem Küchentisch, die Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt, den Kopf in die Hände gelegt. Ihre Füße baumelten unter dem Küchentisch. Sie blickte auf die gegenüberliegende Wand. Dort hing ein Abreißkalender, von dem Marie jeden Tag ein Blatt abreißen durfte. Manchmal war auf der Rückseite eines solchen Kalenderblattes ein kleines Bild, oder ein Witz, oder eine Kurzgeschichte, die ihre Mutter ihr dann vorlesen musste.

Vor ein paar Tagen hatte ihre Mutter gesagt, dass sie dort neben dem Kalender bald wieder den Adventskalender aufhängen wolle. Warum nicht jetzt. Katharina wusste, dass der Karton mit  den Weihnachtssachen im großen Kleiderschrank im Flur war. Zusammen mit ihrer Mutter hatte sie den Karton dort hineingestellt.

Sie ging in den Flur, machte das Licht an und öffnete die linke Schranktür. Auch wenn die winzige Lampe nur spärliches Licht von sich gab, konnte Katharina sehen, dass der Weihnachtskarton nicht da stand. Sie öffnete die rechte Doppeltür des Kleiderschrankes. Das war nicht so einfach, denn eine Seite der Doppeltür war durch einen Haken gesichert. Katharina schaffte es und sah, dass der Karton mit den Weihnachtssachen auch hier nicht war. Aber sie entdeckte buntes, weihnachtliches Geschenkpapier.

Katharina holte einen Küchenstuhl. Sie kletterte hinauf, und nun hatte sie ein weihnachtlich verpacktes Paket vor ihren Augen. Sie strahlte und ihre Neugier war unendlich groß, was wohl im Paket sein könnte. Ganz vorsichtig zupfte sie mit ihren kleinen Fingern am Papier an einer Ecke des Päckchens, bis ein winziges Loch entstanden war, konnte aber noch nichts erkennen. Das Paketpapier war nur mit einer rosen Schleife zugebunden. Sie wollte nun unbedingt sehen, was im Weihnachtspäckchen war. Katharinas Herz pochte bis zum Hals. Wie kam das Päckchen dort hin? Weihnachten brachte doch immer der Weihnachtsmann die Geschenke.

Erschrocken und zweifelnd versuchte sie nun das kleine Loch im Papier an der Ecke des Kartons mit Spucke wieder zu kleben und versteckte das größere Guckloch - so gut es ging - hinter dem Schleifenband. Sie schloss die Schranktüren, knipste das Licht im Flur aus und stellte den Stuhl zurück in die Küche.

Bald darauf kam ihre Mutter nach Hause. Katharina saß immer noch am Küchentisch. Ihre Mutter merkte sofort, dass irgend etwas nicht stimmte. Katharina begrüßte ihre Mutter sonst fröhlicher, wenn diese von der Arbeit kam. Auf die Frage ihrer Mutter, ob irgendetwas passiert sei, antwortete die Kleine nur, dass Oma geschimpft hätte.
Wenig später, nachdem beide Abendbrot gegessen hatten, ging Katharina ins Bett.

Am nächsten Morgen, als sie doch schlaftrunken in die Küche kam, stand auf dem Küchentisch der Karton mit der Puppe. Ausgewickelt. Das rote Schleifenband lag daneben. Die Mutter begrüßte sie mit den Worten: "Guten Morgen Katharina, Weihnachten war gestern". Dann übergab sie ihrer kleinen Tochter den Karton mit der Puppe.

Katharina war erschrocken und verdutzt und den Tränen nah. Das wollte sie nicht. Aber nun erinnerte sie sich; vor einiger Zeit hatte ihre Mutter gesagt: "Der Weihnachtsmann kann nicht alle Geschenke bei sich unterbringen und hat etwas für Weihnachten im Kleiderschrank versteckt. Das darf aber erst am Heiligabend bei der Bescherung geöffnet werden".

Eine Weihnachtsgeschichte von
Zeitungsleserin Anke Zimmermann aus Buchholz/Nordheide.


                                    










 












 


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